Für immer

 

Bildquelle: Belts & Gelberg
Für Immer
von Kai Lüftner
mit Bildern von Katja Gehrmann
30 Seiten
1. Aufl. 08.Juli2013
ISBN: 978-3-407-79546-5 
Beltz & Gelberg
12,95€
und als
Minimax Ausgabe ISBN: 978-3-407-76203-0  6,50€

Eine einfühlsame, traurig und dennoch schöne, hoffnungsvolle Geschichte zum 
Thema Tod und Abschied nehmen
-Tod des Vaters-
für Kinder ab 4 Jahren

In diesem sehr einfühlsamen, durchaus traurigen und dennoch nicht zu sehr bedrückendem Bilderbuch nimmt uns der kleine Protagonist Egon mit in seine Welt. Seine Welt, die von Abschiednehmen, Tod und Veränderung geprägt ist und in der er sich selbst als "Zurückgebliebener" bezeichnet. Bevor es in die Geschichte hinein geht, in der Egon auf seine kindliche, offene Art vom Tod und dem Leben berichtet, werden wir von Familienfotos empfangen. Der Vor- aber auch der Nachsatz sind eine Art Fotoalbum, die einen die Protagonisten kennenlernen lassen und in denen man ein Gefühl dafür bekommt wie Egons Familienleben war. Fotos halten Momente fest und lassen Erinnerungen wieder aufleben.
Egons Papa war krank, das er sterben wird vorhersehbar und dennoch kann man sich auf das was danach kommt nicht vorbereiten. In Kai Lüftners einfühlsamen Geschichte lässt er seinen Protagonisten selbst zu Wort kommen, der sicherlich vielen Leidensgenossen aus der Seele spricht, denn neben dem Zurechtfinden mit der neuen Situation ohne den Vater gibt es noch die Reaktionen der Außenstehenden, die zuweilen seltsam und unverständlich sind. Plötzlich ist alles anders wie zuvor. Der geliebte Papa ist weg, die Familie traurig. Und wenn Egon sich selbst als "Zurückgeblieben" bezeichnet dann bekommt das Wort, das man bislang im Zusammenhang mit Entwicklungsverzögerung oder auch einer geistigen Behinderung hörte, eine ganz andere Bedeutung. Eine zweideutige Bedeutung. Wörtlich ist er einer, der zurückgeblieben ist, doch das ihn sein Umfeld auch so sieht, und damit nicht die Wortzusammensetzung meint, findet er dann doch zurecht befremdlich. Die Menschen verhalten sich plötzlich komisch. Es gibt die, die hinter seinem/ hinter ihrem Rücken flüstern und tuscheln. Es gibt die Grinser und die, die ihnen aus dem Weg gehen um nicht mit ihnen reden zu müssen. Die Schweiger, die unsicher sind, wie sie mit ihnen umgehen sollen, oder sollte man sagen denen die Situation peinlich und unangenehm ist? Egon ist klar, nach dem Tod des Vaters ist nichts mehr so wie es war. Er ist "für immer" weg. Dieses Bewusstsein, das eigentlich nur aus zwei kleinen Wörtern, "für immer", besteht, beinhaltet eine Endgültigkeit, die einen vollkommen einnimmt. Gegen "für immer" gibt es keine Tabletten. "Nicht mal welche, die bitter schmecken. Sonst hätte ich sie gekauft. Für Mama und für mich. Aber es gibt keine. Glaubt mir, ich hab überall gefragt." erzählt Egon und berührt uns Leser mit seiner pragmatischen, emotionalen Schilderung. Bevor Egons Papa gestorben ist haben sie noch gemeinsam einen Drachen gebaut. Vielleicht das letzte schöne Miteinander, von dem der Leser sich in einer sehr schönen Illustration ein eigenes Bild machen kann.
Dieser Drache wird zum roten Faden, der das alte und das neue Leben verbindet und der Egons stetiger Begleiter auch in den Bildern ist.
Die Geschichte, in der, der Leser deutlich vor Augen geführt bekommt, was für Veränderungen der Tod eines Familienmitgliedes, der Tod des Vaters, mit sich bringt lebt von der besonderen, schonungslosen, offenen Erzählweise mit der Egon den Leser an seinem Leben und seinen Gedanken teilhaben lässt und den sehr ausdrucksstarken Zeichnungen von Katja Gehrmann. Mit scheinbar wenigen Strichen gelingt es ihr eine unglaubliche Tiefe und Intensität zu vermitteln, mit der sie den Blick des Lesers unmittelbar auf das Geschehens lenkt. Es gibt kein Drumherum was ablenkt. Der Fokus liegt, egal aus welcher Perspektive, bei Egon und seinem kleinem roten Drachen. Der Drache, der den Jungen begleitet, der aber auch in die Luft steigen kann um von oben aus Neues entdecken lässt. Der in der Luft tanzen kann und so ein Gefühl von Freiheit vermittelt, genauso wie er dort hin kommt, wo Egon nicht hin kommt. Ein Stück näher an den Himmel heran, ein Stück näher an den Vater, der bestimmt von oben auf seine Lieben schaut.
Kindern das Thema Tod näher bringen ist nicht leicht. Das es dabei nicht nur um den Verlust geht, den Schmerz, die Traurigkeit sondern ganz viel auch damit zu tun hat wie sich das Leben verändert und hier ganz besonders die Reaktionen von Außen wird in Bilderbüchern für Kinder in diesem Zusammenhang recht wenig thematisiert, obwohl es ein ganz entscheidender Faktor in Bezug auf das Weiterleben der "Zurückgebliebenen" ist. Eindrucksvoll erzählt Egon mit wenigen Worten von den Schweigern, Grinsern und Flüsterern, von denen es leider viel zu viele gibt. Sicherlich kann man ihr Verhalten begründen. Man kann es auf den Punkt bringen, in dem man es mit Unsicherheit und nicht mit dem Tod konfrontiert werden wollen, begründen, macht es aber nicht besser. Deshalb finde ich dieses Buch so wichtig. Es hilft nicht nur Kindern das Thema Tod als Teil des Lebens anzunehmen, es zeigt hoffentlich den Grinsern, Flüsterern und Schweigern, das ihr Verhalten verletzt, verstört und vor allem unnötig ist. Letztendlich will jeder, der einen Menschen verliert doch nur ein wenig Normalität. Leider ist es oft immer noch so, das mit dem Tod eines Menschen auch Freundschaften sterben. Das muss und vor allem sollte nicht so sein. Die "Zurückgebliebenen" sind keine Aussätzigen, sie haben keine ansteckende Krankheit, sie sind immer noch die Gleichen wie vor dem Ereignis, nur zu Anfang etwas trauriger. Es ist an den Außenstehenden, an den Freunden und dem Umfeld Normalität zu gewährleisten damit der Trauernde von dieser Normalität umhüllt ein Gefühl der Sicherheit bekommt. Die Sicherheit, das noch ganz viel "altes" Leben da ist und man sich nicht ein völlig neues Leben erkämpfen muss.
Das ist Buch ist daher auch wichtig, um nicht Betroffene darauf hinzuweisen, das sie mit ihrem Verhalten viel dazu beitragen können, das sich der "Zurückgebliebene" nicht völlig allein fühlt. Einfach da sein, so wie immer, nicht Grinser, Schweiger, Flüsterer oder Weggucker sein. Man muss sich nicht unsicher fühlen. Man muss einfach so sein wie immer. Im besten Fall geht man auf den Trauernden zu, zeigt ihm einfach das man da ist. Kinder, sind in der Regel wesentlich unbeschwerter und machen das von alleine. Erwachsene tun sich da schwerer und sollten ihre Unsicherheit nicht an ihre Kinder weitergeben. 
So ist diese Geschichte, in der sich "Zurückgebliebene" wiederfinden und Außenstehende ein Gefühl dafür bekommen wie sich Betroffene fühlen.


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