Wer der Herde folgt, sieht nur Ärsche Hannes Jaenicke

Bildquelle. Gütersloher Verlagshaus / Random House
Wer der Herde folgt, sieht nur Ärsche
Hannes Jaenicke
192 Seiten
1. Aufl. 2017
Gütersloher Verlagshaus / Random House
ISBN: 978-3-579-08668-2
19,99€


Über uns Menschen und stille Helden

"Über uns Menschen"? Was meint sie jetzt damit? Werden einige fragen.

Ich habe lange überlegt was ich als Leitgedanken wähle.
"Über Menschen, die authentisch, taff und viel Eigeninitiative sich einsetzten?
Wäre das eine Alternative?
Ich weiß nicht, denn das Buch ist vielseitig wie das Leben.
Zwar wird hier der Mensch als Herdentier als Ausgangspunkt für das Buch dargestellt, doch schon bei lesen des Klappentexts wird klar, dass es eigentlich um viel mehr um etwas anders geht.
Ich kann nach der Lektüre dieses Buches zwar verstehen wieso dieser provokante Titel gewählt wurde, dennoch komme ich, für mich persönlich, nicht drum rum zu sagen, dass ich mir für dieses wirklich tolle Buch einen anderen gewünscht hätte.
Irgendwie schreckte mich der Titel ab es zu lesen.
Als ein Kollege es mir gab, mit der Bitte es doch zu besprechen schluckte ich und legte es erst einmal zur Seite. Schließlich gab es noch andere Bücher, die warteten.
Ich kannte Hannes Jaenicke, sowohl als Schauspieler als auch durch seine Dokus.
Ich fand es toll wie er sich immer wieder engagierte und auch unbequeme Themen in Angriff nahm.
Eigentlich hätte jemand zu dem Buch ein Nachwort schreiben müssen, denn ich sehe ihn genauso als Held wie die anderen, die er in seinem Buch erwähnt.
Trotz aller Sympathie machte mich der Titel nicht neugierig sondern schreckte mich ab, naja abschrecken ist eigentlich das falsche Wort, er lockte mich nicht.
Schade, muss ich nun sagen, denn als ich das Buch dann doch Tage später in die Hände nahm konnte ich es kaum noch weg legen. Laß es in einem durch. Gott sei dank hatte ich an dem Tag die Zeit dazu.
Wie so oft musste ich feststellen, alles hat seine Zeit und nun war anscheinend wirklich die Zeit. Hätte ich es Tage zuvor nur anlesen und wieder weglegen müssen, weil anders wichtiger war, hatte ich nun die Ruhe und Muße, den Luxus es wirklich ohne Pause lesen zu können.
Hannes Jaenickes Buch ist einfach und klar geschrieben. In jedem Wort das man liest hat man das Gefühl seine Stimme zu hören, die es einem vorliest, erzählt. Wunderbar leicht fließen die Worte. Keine verschachtelten langen Sätze, keine schwierigen Wörter, keine komplizierten Denkweisen. Einfach wunderbar erzählend.
Er stellt Fragen, hinterfragt, gibt Antworten, erzählt von sich und seiner Familie, seinen Erlebnissen und Begegnungen meist mit den stillen Helden der Gesellschaft. Dabei heißt still nicht immer gleich unbekannt, denn Hannes Jaenicke stellt uns auch Helden vor, die wir kennen, nur in anderer Form.
Was Promis, im Stillen für Umwelt und Menschen, denen es nicht so gut geht, leisten ist nicht nur sehr bemerkenswert sondern richtig wichtig. Das dies in den Medien kaum erwähnt wird um so erstaunlicher.
Wenn schon Promis mit ihrem Promibonus mit ihren Engagement nicht bzw. nur wenig Beachtung finden, dann ist es nicht mehr verwunderlich, dass die meisten Helden überhaupt nicht erkannt, bemerkt werden.
Aber was macht einen Helden aus?
Wieso der Titel
"Wer der Herde folgt, sieht nur Ärsche?"
Hannes Jaenicke berichtet von Massenphänomenen, sei es im Bereich der Mode oder auch im Bereich der Verhaltensweisen. Besonders deutlich wie gefährlich Herdenverhalten sein kann wird deutlich wenn er von einem Versuch berichtet. bei dem Probanden, die eigentlich für einen anderen Testzweck zusammen sitzen Rauch ausgesetzt werden. Langsam wird immer mehr Rauch eingeleitet. Man sollte doch denken, dass alle nach dem Bemerken, die anderen warnen und den Raum verlassen.
Nein, jeder beobachtet heimlich das Verhalten des anderen. Da keiner aufsteht, bleiben mehr oder weniger alle im Raum.
Unvorstellbar?
Ich kann es auch nicht nachvollziehen, denkt man jedoch weiter, an die vielen Dinge, die täglich passieren ( und auch hiervon wird berichtet) wo weg gesehen wird weil alle weg sehen dann erkennt man deutlich, dass die meisten Menschen der Herde folgen.  Nur Herdentiere sind soziale Tiere, die für die Mitglieder ihrer Herde schützen. Wenn  jedoch ein Herdentier der Menschen bedroht ist wird es von der Herde nicht beschützt. Wieso ?
Was erwartet die Herde Mensch von ihren Mitgliedern? Was für Leittiere, Helden haben wir , denen es sich lohnt zu folgen. Die wirklich gut für einen sind?
Wenn man Hannes Jaenicke folgt erkennt man, wie unbewusst man vieles mit macht, dem Strom folgt um nicht aufzufallen, obwohl man eigentlich etwas anders will oder denkt.
Da hilft man einem Penner nicht weil die Gesellschaft einen dann vielleicht ähnlich ausgrenzen, beschimpfen würde.
Wie dumm ist das?
Aber wieso wundere ich mich?
Ich selbst habe doch mehrfach die Erfahrung gemacht, dass Eigeninitiative nicht gewollt wird, gute Ideen boykottiert werden weil nicht sein kann was nicht sein darf , oder heißt es umgekehrt "was nicht sein darf das nicht sein kann?"
Das frage ich mich fast täglich. Wie auch immer wenn es nicht Menschen gäbe, die aus der Reihe tanzen, sich über Konventionen, und Uniformität hinweg setzen würden, würde sich nie etwas verändern, würde vieles wie das Klima, Natur, Armut immer schlimmer.
Würden alle denken, "ich als Einzelner kann doch eh nichts erreichen ,also brauch ich auch nicht anfangen" dann wäre unserer Welt wirklich nicht mehr zu helfen.
Gott sei dank gibt es die "Helden" die stillen Helden, die sich einsetzten, helfen, engagieren.
Ihnen gibt dieses Buch auf besondere Weise eine Lobby die schöner nicht sein kann.
Es öffnet all denen die Augen, die wenigstens noch offen sind für neues bzw. fremdes Denken.
Ich fürchte nur, dass es genauso viel engstirnige Menschen gibt, denen das hier alles egal ist. Aber die werden auch nichts von dem Erfahren, was in diesem Buch steht.
Mit klaren, empathischen Worten erzählt Hannes Jaenicke von den Begegnungen mit Menschen die seiner Meinung nach ein Beispiel für diese Helden sind. Dabei lässt er uns immer und immer wieder auch an seinem Leben teilhaben. An dem heutigen genau wie an dem seiner Kindheit. Einer Kindheit im Wandel, mit vielen einschneidenden prägenden Erlebnissen.
Gerade diese Mischung liefert den Zugang zu einem Thema, dass eigentlich jeden etwas angehen sollte. Über das jeder nachdenken sollte.
Ich würde mir wünschen, dass dieses Buch Teil des Unterrichts in Schulen wird um schon frühzeitig der Jugend das immer größere werdende Gruppendenken, die Uniformierung  und die Gefahren, die dieses birgt, vor Augen zu halten.
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Eine klare Leseempfehlung