Der Insulaner

Bildquelle: btb
Der Insulaner
von Henning Boetius
960 Seiten
1. Aufl. 2017
btb Verlag
ISBN: 978-3-442-75678-0
26,00€



Der autobiographische Roman
eines grandiosen, vielseitigen Schriftstellers und  interessanten Menschen

Henning Boetius ist ein sehr vielseitiger Schriftsteller. 
Vom Roman über Krimis und Kinderbüchern bis hin zu Sachbüchern hat der studierte Germanist und Philosoph schon alles geschrieben.
In seinem neusten Werk, "Der Insulaner" geht er auf eine Reise in sein Leben. Ein autobiografischer Roman, der es in sich hat, schaut er doch auf ein sehr bewegtes, langes Leben voller Veränderungen sowohl im Persönlichen als auch gesellschaftlichem Bereich. So ist sein Roman ein wahres Monument einer schon fast vergessenen Zeit, auch wenn es eigentlich noch gar nicht so lange her ist. Unsere Zeit ist schnelllebig, im ständigen Wandel und Umbruch und prägt mehr als einmal unser Leben in den verschiedensten Bereichen, so auch bei Henning Boetius, dessen Leben voller Höhen und Tiefen verlief und auch ganz , ganz tief in den Abgrund ging.
In Hessen, 1939 geboren, als Sohn eines Föher Insulaners lebt er in der Kindheit auch zeitweise auf Föhr. Eine sehr intensive  Zeit wie er selbst einmal erzählte,  die sein Verhältnis und seine Bilder vom Meer und dem Wetter prägten, ohne die er, wie er selbst sagt wohl nie Schriftsteller geworden wäre. Seine Werke sind sprachgewaltig. Er schafft es mit ihr uns so zu faszinieren, das wir das was er erzählt vor unserem Inneren Auge zu Bildern werden lassen können.
So nimmt uns Boetius in seinem Roman mit in sein Leben und auf die Insel. Der Verlag schreibt in seiner Darstellung des Buches ..." ...eine einzigartige Liebeserklärung an die Kunst und das Meer" und das trifft es sehr genau.
So muss sich der Schriftsteller in seinem Roman einer schwierigen Gehirnoperation unterziehen. Jeder kann sich vorstellen, welch große Ängste und Sorgen damit verbunden sind. Es ist nicht nur die Diagnose des Tumors sondern viel mehr der Gedanke an das Danach, das einen beschäftigt und ängstigt. Werde ich noch der sein, der ich einmal wahr? Werde ich noch wissen wer ich bin, wie alles wahr? Dies und noch so viel mehr beschäftigen auch den Schriftsteller, der dann auf faszinierende Weise während der Narkose bzw. während der Op in der Narkose sein ganzes Leben an sich vorbei ziehen sieht, es quasi noch einmal erlebt. Im Traum erzählt er all das seinem Analytiker, der zumeist als stiller Zuhörer agiert.
Eine äußerst gelungene Idee um einen autobiografischen Rückblick zu inszenieren.
Jeder der einmal ähnliches erlebt hat, weiß wie intensiv gerade Narkoseträume sein können, vor allem dann wenn es sich um eine schwierige oder auch längere Op handelte.
Als Kriegskind hat er die ersten Jahre  Angst durchlebt, Bombennächten miterlebt  aber auch den Aufbau danach, das zu Ruhe kommen, den Neuanfang, die Wirtschaftswunderjahre, die 68er, die Jahrhundertwende.
Und so blickt er auf ein Leben zurück, in dem er nicht nur Schriftsteller war sondern zunächst einmal Kind. Kind auf einer Insel, die ihn prägte auch wenn er sich dort nie akzeptzier und integriert fühlte.  Als Kind einer ruhigen, stillen in sich gekehrten, sicherlich auch traurigen Mutter, die ihre wahren Interessen und Leidenschaften gerade auch in künstlerischer Hinsicht nie wirklich leben, ausleben konnte, die ihre Persönlichkeit immer hinten anstellte, funktionierte. Als Kind eines Vaters, den er stets bewunderte obwohl dieser ziemlich unnahbar für den Sohn war, der einst  als Offizier auf dem Luftschiff Hindenburg fuhr und das Unglück von Lakehurst miterlebt hatte und den diese Katastrophe mit Sicherheit sehr prägte, Spuren hinterließ.
Später dann suchte unser Autor nach seinem eigenen Leben. Dem Sinn und die Position. Er probierte sich aus, auch etwas was typisch für die Zeit war in der er aufwuchs und lebte. So studierte er nicht nur Germanistik und Philosophie sondern probierte sich auch als Maler, Musiker,  war zeitweise  Hausmann, Leben wie das Leben so spielt erzählt er so bildreich und sprachgewaltig wie kaum ein anderer aber  auch die Zeit ohne festen Wohnsitz, am Abgrund der Gesellschaft als Obdachloser, die spätere Rückkehr , der Versuch wieder Fuß in einem halbwegs normalen Leben zu finden, spannend und eindrucksvoll, genauso wie die stimmungsvollen Bilder mit denen er uns die Insel und Insularen näher bringt. Eine Liebeserklärung der besonderen Art an eine Insel, ein Leben mit den Naturgewalten das so extrem ist wie das Leben draußen. Ein Mikrokosmus der all das auf kleinstem Raum vereint was das reale Leben auf der ganzen Welt mit sich bringt.
960 Seiten voller Abenteuer, Spannung, Stimmungen und Gefühle und eine Zeitreise, die viele der Leser mit Sicherheit an eigene Erlebnisse an das eigene Leben erinnern und genau das macht die Lektüre dies Romans so spannend, denn mit jeder Seite die wir umblättern könnte etwas geschrieben stehen, das wir auch in irgend einer Weise erlebt haben. So ist es ein sehr persönliches Buch über das Leben des Autors im Kontext mit dem gesellschaftlichen Wandel der letzten 50 Jahre, an dem er uns auf so unglaublich intensive Art teilhaben lässt, denn die Tatsache, das wir all das im Narkosetraum des Protagonisten miterleben schwingt immer mit und bleibt bis zum letzten Satz spannend.
Es ist ein Roman, der viel erzählt, tief mit hinein nimmt und sich so schnell nicht mehr aus unserem Kopf hinaus bewegt. Zuviel Bilder sind in unserem Kopf, die Boetius mit seiner unglaublich intensiven Sprache gezeichnet hat.

Dieses Buch wird man bestimmt auch noch
ein zweites und drittes Mal lesen.


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