Friesentorte für Fortgeschrittene

Bildquelle: Heyne Verlag
Friesentorte für
 Fortgeschrittene
von Tina Wolf
352 Seiten
1. Aufl.11. April 2022
ISBN: 978-3-453-42613-9
Heyne Verlag
11,00€

Manchmal braucht man einen Stups, um zu erkennen, dass man in seinem Leben die falschen Prioritäten gesetzt hat.
Auf euch wartet ein kurzweiliges Lesevergnügen mit ganz viel Förer-Insel-Flair

Fragt ihr mich: "Na, wie war der Roman?" Dann muss ich nicht lange überlegen was ich kurz und knapp antworten werden.
Ich antworte: "Es war ein kurzweiliges Lesevergnügen". Und das war es auch, wenn gleich ich mich beim Lesen der ersten 120 Seiten durchaus gefragt habe, wann passiert hier wirklich etwas, was mich fasziniert, was mich innerlich vielleicht auch etwas fordert oder mir etwas mit auf den Weg gibt. Der ein oder andere wird sich fragen, muss ein Roman etwas mitgeben? Ich denke, das muss jeder für sich entscheiden. Mir ist auch bewusst, dass Tina Wolfs Roman durchaus eine Botschaft hat, doch mich persönlich hat ihr Roman nicht so gefesselt, nicht so entführt wie ich es mir gewünscht hätte und dennoch hat sie mich mit ihrer Art zu erzählen sofort gepackt. Auch wenn für mich so einfach dahinplätscherte war ich fasziniert von den Figuren und in freudiger Erwartung auf das Geschehen.
Eine liebenswerte, etwas eigenwillige alternativ angehauchte unkonventionelle Mutter, 
ein bequemer liebenswerter, aber nicht sehr ansehnlicher Hund 
und eine junge Frau, deren Leben nur aus Arbeit besteht sind die Hauptcharaktere, zu denen sich im Laufe der Handlung einige weitere dazu gesellen.
Mo, eine junge selbstständige Frau, Unternehmerin und Workaholic, deren Leben wirklich nur aus Arbeit besteht wird von ihrer alternativ angehauchten eigenwilligen Mutter Hilde mehr oder weniger genötigt eine Woche mit ihr Urlaub auf Föhr zu verbringen. Der Insel in der Nordsee, auf der die Familie einst über Jahre ihren Urlaub verbrachte und so zu einer vertrauten Umgebung wurde.
Auch wenn Mo überhaupt nicht der Sinn nach Urlaub steht und sie sich schon einen Plan zurechtgelegt hat, wie sie spätestens nach zwei Tagen wieder die Insel verlassen kann, wartet sie nun gemeinsam mit ihrer Mutter und deren Hund, der ebenfalls eine Geschichte und eigenen Charakter hat, auf die Fähre nach Föhr. Und während sie noch warten, ereignet sich für Mo die erste kleine Katastrophe, die sie eine Weile in Rage bringt und den Leser gleich einen Eindruck von den Persönlichkeiten Mo und Hilde bekommen lässt.
Mo ist eine der Frauen, die das Handy nie aus der Hand legen und Laptop und Co immer in Reichweite haben, während Hilde das ganze Gegenteil ihrer Tochter ist. Und Hilde, so erfahren wir wenig später hat es sich nicht nur in den Kopf gesetzt ihre Tochter etwas zu erden und von der Arbeit zu eisen, sondern ihr auch ein familiäres Geheimnis zu verraten. Und das macht sie auf ihre höchst eigene Weise. 
Denn gerade auf der Fähre angekommen verschwindet Mo, um sich umzuziehen und Hilde nutzt die Gunst der Stunde, um zu verschwinden. 
Mehr noch, sie verschwindet mit samt Mos Handy, Laptop und Autoschlüsseln und hinterlässt ihrer Tochter dafür einen seltsamen Brief, der sie auf eine Reise schickt, die an eine Schnipsel Jagd erinnert.
Als Mo feststellt das nicht nur ihre Mutter, sondern auch ihr Handy weg ist, dafür der Hund, mit dem sie im Grunde nichts verbindet, den sie auch nicht sonderlich mag, noch genau da liegt, wo er sich zu Beginn hin gebettet hatte, bricht Mo in innerliche Panik aus. Ihr erste Gedanke ist sie muss die Fähre sofort wieder verlassen, was sich als unmöglich herausstellt, da sie bereits abgelegt hat. Versuche via Telefon ihre Mutter zu erreichen und zur Rede zu stellen scheitern, und der Plan einfach direkt mit der Fähre wieder zurückzufahren ist auch zum Scheitern verurteilt, da die Fähre an diesem Abend nicht mehr zurück zum Festland fährt.
Also strandet Mo mit samt Hund auf Föhr. Irgendwie freut sie sich auch die Insel wiederzusehen und sie freut sich auf ihr schönes Hotelzimmer mit Wellness und Blick aufs Meer. Doch da hat sie die Rechnung wieder ohne ihre Mutter gemacht, die für ihre Tochter eine ganz andere Unterkunft herausgesucht hat. 
So landet Mo in einer Heuherberge. Versuche ein Hotelzimmer zu finden, damit sie dort nicht nächtigen muss scheitern.
Als Leser vermuten wir immer mehr, dass Hilde ihrer Tochter einfach Entschleunigung verordnet hat, doch hinter allem steckt etwas ganz anderes. Denn es gibt jemanden auf der Insel, der ihre Hilfe brauchen könnte.
Für Mo ist es erst einmal eine Reise mit Erinnerungen, die wach werden. Erinnerung an Oma Witt, die liebe ältere Frau, bei der sie in ihrer Kindheit immer die Ferien verbrachten, Erinnerungen an das, was sie früher auf der Insel so geliebt hat. Dazu mischen sich die immer wieder auftauchenden Briefe ihrer Mutter, die sie dann auch zu der Person führt, von dessen Existenz Mo nichts wusste und die wirkliche Hilfe brauchen kann. Am Ende kauft Mo nicht nur ein Haus und hat eine Halbschwester, sondern auch ein Mann hat ihre Wege gekreuzt.
Es passiert viel, aber mir fehlt der Spannungsbogen.
Ich musste viel Schmunzeln, konnte mich von dem Roman auch nicht lösen, um ihn weg zu legen und später weiterzulesen. Es war irgendwie seltsam, so als würde man auf liebenswerte Weise eingelullt. Das Wort klingt vielleicht etwas negativ ist aber in keinster Weise so gemeint. Beim Lesen war ich mitten im Geschehen und trotzdem fehlte mir etwas. Da muss doch noch etwas mehr passieren war mein Gedanke. Jetzt wo ich das Buch zugeklappt habe, frage ich mich, musste wirklich etwas mehr passieren? Ist es nicht schön, wenn man einfach eingefangen wird und ruhig mit vielen Schmunzelmomenten unterhalten wurde? 
Ich kannte Tina Wolfs Romane bisher nicht, bin aber positiv überrascht, was sie mit mir gemacht hat. Vielleicht auch etwas entschleunigt?
Vermutlich ist es genau das.