Opa hat seinen Hut vergessen

 

Bildquelle: Windy Verlag
Opa hat seinen Hut vergessen
eine Geschichte von Elena Berz
mit Bildern von Marine Ludin
32 Seiten
1. Aufl. März 2022
ISBN: 978-3-948417-23-9
Windy Verlag
16,00€

Eine feinfühliges, ehrliches Bilderbuch
zum Thema Tod, 
über das Sterben, 
den Verlust des geliebten Opas
ein Buch, das Situationen und Emotionen aufzeigt und trösten kann
für Kinder ab 4 Jahren
Bilderbücher zum Thema Tod, Trauer, Verlust, Abschied nehmen , kann es nicht genug geben. Jeder empfindet anders, jeder ist anders. Und genauso anders nimmt man auch Geschichten wahr. Die eine berührt mehr, die andere spricht einen mehr an oder man findet sich in ihr besonders gut wieder. Elena Berz erzählt sehr einfühlsam die Geschichte der kleinen Ida, die viel Zeit mit ihrem Opa verbringt. Am liebsten schaukelt sie mit ihm fast bis zum Himmel. Anders als die anderen Erwachsenen schaukelt ihr Opa so richtig hoch, richtig gern und richtig lang. In ihm hat sie einen wirklichen Schaukel-Partner. Wenn sie nicht zusammen schaukeln lauscht Ida gern den Geschichte, die ihr Opa erzählt. Am liebsten erzählt er Geschichten von Raben. Ihr Opa liebt Rabenvögel weil sie so schlau und treu sind. Wie schön Idas Leben und die Zeit mit ihrem Großvater ist erleben wird auf den ersten 8 Seiten, die voller Lebendigkeit und Lachen sind. Doch dann nimmt die Geschichte eine Wendung. 
Es ist Donnerstag. Am Donnerstag holt der Opa Ida immer vom Kindergarten ab, doch dieses Mal ist es anders, sie wird von ihrem Vater abgeholt, der ganz seltsam guckt. Ida spürt sofort das etwas nicht stimmt, doch was das ist ahnt sie nicht. Einfühlsam, aber auch sehr klar erklärt der Vater seiner kleinen Tochter, das der Opa gestorben ist. Das er tot ist. Damit kann Ida nicht viel anfangen und auch die Erklärungen des Vaters erreichen sie nicht so recht. Sie muss erst selbst Worte finden, die ihr das Unvorstellbare verdeutlichen. Und das gelingt ihr, wie sollte es auch anders sein, über das was sie mit ihrem Opa am liebsten gemacht hat. Das der Großvater tot ist heißt für sie: nie mehr mit Opa schaukeln. Zuhause sieht Ida wie ihre Mutter weint und wieder stellen sich der Kleinen Fragen. Wieso weint Mama, wieso weint Papa nicht? Einfühlsam erklärt der Vater seiner Tochter wie es mit dem Gefühl der Traurigkeit ist, wieso der eine weint und der andere nicht. Er erzählt ihr aber auch wie er sich selbst fühlt. Für Ida ist der Vater in dieser Zeit eine ganz wichtige Bezugsperson, was auch daran liegt, das es der Vater der Mutter war der gestorben ist und er noch einmal eine andere Beziehung zu seinem Schwiegervater hatte.
Auch Idas Patentante Johanne spielt im Laufe der Geschichte noch eine wichtige Rolle. Sie ist es, die noch mehr Distanz hat und Ida daher noch einmal anders Fragen beantworten kann. Der ein oder andere mag schlucken, wenn er liest mit welcher Offenheit Johanne Idas Fragen beantwortet, doch genau diese Offenheit ist wichtig. Es nützt nichts Kindern die Wahrheiten zu verschweigen. Johanne ist Biologin und erzählt von Leben und Tod, aber sie erzählt auch von einem erstaunlichen Phänomen, das Ida stauen lässt und uns Leser / Zuhörer für einen Moment innerlich etwas zu Ruhe kommen lässt. Auch wenn es thematisch immer noch um Leben und Tod geht, ist Johannes Ausflug in eine uns verborgene Welt eine kleine Ablenkung sowohl für den Leser als auch für Ida. Am nächsten Tag geht Ida wieder in den Kindergarten. Dort erzählt sie ihren Freunden Greta und Ravi vom Tod des Opas und wieder erfährt sie etwas Neues über den Tod.
Gretas Oma ist jetzt im Himmel und Ravi erzählt davon, das seine Mutter an eine Wiedergeburt glaubt. Auch hier wird wieder deutlich, der Tod und was dann passiert hat viele Facetten. Es gibt nicht einfach nur den Tod es kommt immer darauf an, wie Menschen damit umgehen, wie Menschen fühlen und sich das Danach, das keiner kennt vorstellen. Der Tag der Beerdigung ist noch einmal ein Meilenstein im Abschiedsprozess, so auch für Ida. Das der Opa in eine schöne Kiste kommt, die man Sarg nennt und in einem Erdloch begraben wird findet Ida nicht so toll. Als sie dann aber auch noch entdeckt, das der geliebte Hut des Opas noch auf der Kommode liegt, ist sie entsetzt. 
Wieder wird deutlich, wie wichtig für Kinder bestimmte Dinge sind, die Erwachsene vielleicht gar nicht bedenken. Für Ida steht fest, der Opa braucht seinen Hut. Der Opa ist nie ohne Hut oder einer anderen Kopfbedeckung aus dem Haus gegangen. Ida legt den Hut auf das Grab des Großvaters, so ist er doch bei ihm, denkt Ida und erlebt kurz darauf etwas, was sie mit einer gewissen Zufriedenheit und Hoffnung vom Friedhof gehen lässt.
Ein Rabe holt den Hut und fliegt davon. Hat Ravis Mutter vielleicht recht?
Wer sich die Bilder im Buch genau anschaut, der weiß was für eine wichtige Rolle die Raben in dieser Geschichte spielen. Die Lieblingsvögel des Großvaters, von denen er immer wieder erzählte, die er bewunderte werden zu Idas Hoffnungsschimmer.
Gerade das Bild am Grab sollte man sich genauer anschauen. 
Als Erwachsener schaut man oft sehr oberflächlich. Man liest den Text, schaut nebenbei auf die Illustration aber nimmt sie nicht vollständig wahr. Kinder sind da anders. Sie saugen die Bilder auf und entdecken sofort Dinge, die ein anderer erst auf den zweiten Blick sieht.
Die Illustrationen sind ein ganz wichtiger Bestandteil dieser Geschichte.  die ohne sie die Kinder nicht so erreichen würde. Sie visualisieren nicht nur das Geschehen sondern lassen deutlich spüren, wie schön es für Ida ist mit ihrem Opa zu schaukeln, sie zeigen den Opa und ihre innige Verbindung. Man kann mit ihnen lachen und baut eine Verbindung zu den beiden aufbauen. In der Folge heißt das aber auch, das die Bilder die Traurigkeit spüren lassen. Sie visualisieren aber auch imaginäre Vorstellungen, was ebenfalls sehr wichtig ist, damit die Kinder die Geschichte richtig wahrnehmen. Anders als bei lustigen Geschichten, spielen die Illustrationen, gerade bei Problemthemen eine unglaublich wichtige Rolle. Den Tod zu begreifen ist schwer. Da ist jemand plötzlich nicht mehr da. Das ist nicht vorstellbar. Hier bedarf es Bildern die einen mit auf die Reise nehmen, weil die Vorstellungskraft der Kinder, die so etwas noch nicht erlebt haben, nicht angesprochen wird, bzw. nicht ausreicht.
Die Geschichte von Ida und ihrem Opa, die so fröhlich und spannend beginnt, wird traurig und endet hoffnungsvoll, oder versöhnlich, mit Idas eigener Vorstellung vom Tod. Wir wissen nicht was nach dem Tod geschieht, wir wissen nur, das niemand so ganz geht, weil wir die Toten in unseren Herzen tragen und die Erinnerungen sie lebendig halten. Ob es einen Leben nach dem Tod, oder die Wiedergeburt in einem anderen Körper gibt? Wer weiß, vielleicht war der Rabe, der den Hut holte ja Idas Opa. Wenn Kinder sich solche Brücken bauen, dann ist das gut. Die meisten Kinder (aber natürlich auch Erwachsene) finden irgendwie, irgendwann einen Weg mit Trauer und Verlust umzugehen. Viele tröstet ein ganz individueller Gedanke, so wie Ida, die die Hoffnung hat, das der Großvater in Gestalt des Raben vielleicht seinen Hut geholt hat. In Gesprächen mit Kindern in Trauergruppen, ist diese bzw. eine eigene ähnlich erlebte Situation oder Verbindung oft Thema. Mal ist es ein Schmetterling, der sich immer wieder aufs Grab setzt oder / und bei der Beerdigung oder beim Sterben dabei war, mal ist es ein Tier, das plötzlich immer wieder auftaucht, eine Katze die einem zugelaufen ist etc. Es gibt ein Kinder-Jugendbuch, in dem auf äußerst amüsante Weise genau diese Thema ist. Die Kinder erzählen immer wieder davon, das es eine tröstliche Vorstellung ist das der Tod nichts endgültiges ist sondern nur eine Station. Es gibt die Hülle und die Seele. Die Hülle wird beerdigt, doch die Seele lebt weiter. Je nach Alter des Kindes sprechen wir anders mit ihnen über den Tod. Wichtig ist, das wir mit Kindern nicht erst über den Tod sprechen, wenn der Fall eingetreten ist, sondern schon viel früher. Der Tod gehört zu unserem Leben und deshalb sollten wir mit Kindern Bilderbücher über den Tod aber auch über Krankheit, Behinderung, Demenz etc. genauso lesen und in unseren Vorlesealltag integrieren, wie Lustige.  Wenn es dann aber schon passiert ist und man ein Buch wie hier zum Thema Tod vorlesen möchte, dann solltet ihr zum einen genau und bewusst die Bücher aussuchen. Ihr müsst sie vorher lesen und ganz wichtig, ihr müsst sie euch selbst laut vorlesen.
Wieso?
Erfahrungsgemäß ist es wesentlich leichter ein Buch ohne Stimme zu lesen als sie laut vorzulesen. Liest man sie laut, werden meist mehr Gefühle geweckt. So kann es passieren, das einem die Stimme weg bleibt, man einen Kloß im Hals verspürt oder die Tränen rollen. Alles ganz natürliche Emotionen, die beim Vorlesen mit Kindern jedoch nicht von Vorteil sind. Das Kind hat mit seiner Trauer zu kämpfen, konzentriert sich auf die Geschichte und muss dann auch noch die Emotionen des Vorlesenden einordnen, das ist zu viel. Beim Vorlesen sollte mitschwingen, das bei aller Traurigkeit es auch tröstliche Momente gibt und diese tröstlichen Momente liefern die Geschichten. Im späteren Gespräch mit dem Kind darf man ruhig (wenn es passt) erwähnen wie einen die Geschichte berührt hat. Auch darf man während es Vorlesens auf die Emotionen des Kindes oder seine Bemerkungen eingehen nur bitte vermeidet Wörter die  noch mehr runter ziehen wie z.B. "ganz schlimm". "Ja, das ist traurig", ist da die deutlich bessere Formulierung.
Man sollte versuchen Trost und Hoffnung in der Wortwahl zu berücksichtigen und mitschwingen zu lassen. Das das nicht einfach ist, wenn man selbst auch traurig ist, ist klar und dennoch gelingt dieser Spagat mit der richtigen Vorbereitung.  Und wenn am Ende der Geschichte ein Schmunzeln im Gesicht liegt ist das völlig oky, ja sogar sehr schön, denn das ist der Anfang von Trost und Hoffnung.
"Opa hat seinen Hut vergessen" lässt am Ende Schmunzeln. Wie viel, das liegt an jedem selbst!