Jeden Tag ein bisschen Meer

Bildquelle. Heyne Verlag
Jeden Tag ein bisschen MEER
von Katharina Jensen
352 Seiten
1. Aufl. 2018
Heyne Verlag
ISBN: 978-3-453-42227-8
9,99€


Ein kurzweiliger Roman mit viel Rügen Flair


Lindas Leben spielt auf Rügen. Erfolgreich und mit viel Leidenschaft führt sie eine kleine Pension. In unmittelbarer Nähe hat ihre Mutter eine Bäckerei. Ihren Verlobter Marcus kennt sie schon ewig. Alles plätschert vor sich hin, alles ist selbstverständlich, Alltag. Unglücklich ist sie nicht, ihr Leben ist ihre kleine Pension und dennoch scheint es da in letzter Zeit etwas zu geben, was sie nachdenklich macht.
Als dann eines Tages ein alter Stammgast auftaucht,und sich überaus seltsam benimmt ahnt sie noch nicht welche Wendung ihr Leben nehmen wird.
Ausführlich lässt uns Linda an ihrem Leben, ihren Gefühlen, Ängsten, Gedanken und auch dem Alltag teilhaben.
Nach und nach kommen noch einige Personen ins Spiel. Mal etwas länger, mal dauerhaft. Ihre Mutter, die allein lebt scheint einen heimlichen Freund zu haben. Wer dieser Mann ist, den sie mit ihr gesehen hat ahnt Linda nicht er wird  ihr Leben sehr bereichern.
Der Roman beginnt etwas schleppend. Ließt sich wie eine To do Liste oder ein Bericht. Recht nüchtern, nicht uninteressant aber auch nicht so, dass man es lange weiter lesen möchte. Bei Seite 29 überlegte ich kurz ob ich , wieder meiner Gewohnheiten ein paar Seite überspringen soll, bin aber froh, dass ich es nicht gemacht habe, denn plötzlich wendet sich alles, man ist gefesselt , bekommt erste Ahnungen wohin die Reise gehen könnte.
Der alte Stammgast bekommt ein Gesicht, dass uns fasziniert. Ein Schriftsteller. Auch er lässt uns an seinem Leben, Gedanken und Gefühlen teilhaben, jedoch anders als die Ich-Erzählerin. Er schreibt immer wieder Briefe an seine Frau, die er schmerzlich vermisst. In ihnen erzählt er seiner Paula von seinem Tag, was ihn bewegt, wie sehr er sie vermisst, welche Erinnerungen an gemeinsam verbrachte Momente auf Rügen in ihm hoch kommen. Mit der Zeit wird klar, Paula lebt nicht mehr. Linda jedoch bleibt es lange verborgen. Die Gefühle die beide verbinden erst freundschaftlich dann tiefer. Linda lebt in einer Beziehung und Paul liebt seine Paula. Kann sich nicht vorstellen je wieder eine andere Frau zu lieben. Diese sehr sanfte Annäherung macht den Roman so besonders. Rührend kümmert sich Linda um Paul und er aber unbewusst auch viel für sie tut. Mit seinen Fragen, Feststellungen und Gedanken bringt er Linda dazu ihr Leben zu hinterfragen und befördert viel wieder zu Tage, was Linda einmal wichtig war.
Die beide tun sich gut lassen aber bis fast zum Schluss Nähe nicht zu.
Nach und nach löst sich Pauls Lähmung, er findet ins Leben zurück, schafft es sogar wieder zu schreiben.
Als er Linda Fotos von Rügen sieht wird Linda durch seine Faszination für die Bilder daran erinnert, wie gern sie fotografiert. Sie haben eine Idee. Ein literarischer Reiseführer. Diese Arbeit verbindet beide, lässt sie zeitweise näher kommen um gleich darauf wieder von einander weg zu rücken. Uns führt die Recherche an viele Bekannte und unbekannte Ort auf Rügen, Beschreibungen, die einen , wenn man selbst einmal dort war, noch tiefer in die Geschichte mitnehmen weil man plötzlich das Gefühl hat an den Schauplätzen zu stehen. Für diejenigen Leser, die Rügen noch nicht kennen ist es bestimmt ein Anreiz einmal dort hin zu reisen.
Katharina Jensen erzählt so wunderbar, dass man sich am liebsten gleich dort hin begeben möchte.
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Es ist ein sehr intensiver, vielschichtiger Roman, der auch Deutsch -Deutsche Vergangenheit aufleben lässt. Linda ist 8 als die Mauer fällt. Ihr Leben geprägt von beiden Systemen und auch die Schicksale der Menschen dort lassen dies erkennen.
Besonders fasziniert hat mich dieser unglaubliche und plötzliche Wandel in der Erzählung. Am Anfang alltäglich und dann so tief und gefühlvoll wie ich es selten erlebt habe.
All denen, die gern Roman mit Meer Gefühl lesen werden begeistert sein und hoffentlich an meine Worte denken, dass man sich nicht vom Anfang täuschen lassen sollte.
Ich zumindest bin sehr froh weitergelesen zu haben, denn langweilig ist dieser Roman ganz und gar nicht.
Linda und Paul zwei Charaktere, in die man sich einfach verlieben muss.
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Es sieht nicht so aus als gäbe es ein Happy End.